Zur Natur der Natur von Verstand, Urteilskraft und Vernunft

Allein schon bei der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Vernunftevolution sträuben sich dem Kantianer die Haare. Im Ausgang des 20. Jahrhunderts war für die Diskutanten Karl Popper und den Hirnforscher John Eccles nichts klarer als dieses: Eine Evolution des Selbstbewußtseins gibt es nicht!

Wo ist das Selbstbewußtsein zu verorten: Im Verstand, in der Urteilskraft oder in der Vernunft? Oder ist das sich selbst wissende Ich eine Funktion aus der Dialektik der erwähnten drei Bezugsgrößen, die Immanuel Kant zu dem oberen Erkenntnisvermögen rechnet? Ortega y Gasset war einerseits von Kants Denken durchdrungen, suchte aber andererseits dieses Denken zu übersteigen und zu einem anderen, einem neuen Vernunftbegriff zu gelangen.

“Zehn Jahre habe ich innerhalb des Kantischen Gedankens gelebt; ich habe ihn eingeatmet wie eine Atmosphäre, und er war zugleich mein Haus und mein Gefängnis.(…)Aus dem prachtvollen Gefängnis Kant kann man nur entweichen, indem man es assimiliert. Man muß Kantianer sein bis auf den Grund seiner Seele und dann durch einen Akt der Verdauung zu einem neuen Geist geboren werden.”( GW-II, S. 414f)

VERSTAND ist noch nicht VERNUNFT

Die intellektuelle Welt zählt viele “unheilbare Kantianer” und diese meistens unbewußt von Kants Denken affizierten  Bürger “bilden heute den schlimmsten Hemmschuh für das fortschreitende Leben: sie sind die einzigen Reaktionäre, die wirklich stören.” Zu ihnen zählt Ortega die “idealistischen Politiker”.  Ortega wählt in seiner Meditation von 1924 anlässlich des hundertsten Todesjahres von Immanuel Kant nicht bloß eine methodische Abgrenzung zu Kants Philosophie, sondern im Aufweis zahlreicher Beispiele auch inhaltliche Differenzen, die beispielsweise seine Moralvorstellungen gegen Kants zweite Kritik anrennen lassen. Die kantthematische Abhandlung von 1924 erscheint in einem sehr weiten Sinne geeignete Fundgrube zum Verständnis und zum Begreifen der Motive und Argumente, die Ortega  seinem Philosophieren zugrunde legt. Man kann, so scheint es, mit dem Werkzeug von Kants Denkstruktur aus diesem Beitrag erfahren, welche Idee und welche Überzeugungen  Ortegas Denken voraus und zugrunde liegen. Seine Abwendung von Kants metaphysischer Vernunftstruktur hin zur Amalgamierung der Vernunft mit der Vitalität, mit dem Leben allgemein wirkt leider oft wenig überzeugend, soll damit ein neuer Vernunftbegriff konstituiert werden. Die hierzu mit teils verschroben wirkender Wortbildung eingeführten Designate (Konnotationen) zum intendierten Begriff reichen nicht hin, um das auszubilden, was ein Begriff ist. Karl Jaspers, den Ortega nicht sonderlich schätzte, degoutierte wenig souverän den großen spanischen Denker so sehr, daß er  in seinem, die Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart  umfassenden Werk: Die grossen Philosophen (Piper, München 1981), mit mehr als dreissig Bezugsgrößen  ihn nicht einmal einer Erwähnung würdig fand. Anders als Ortega blieb Jaspers  bei Kants Modell der drei Erkenntnissphären: Verstand, Urteilskraft und Vernunft. In seinem letzten großen Werk: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung  urteilt Jaspers zum Verhältnis von Verstand und Vernunft:

“Verstand ist noch nicht Vernunft. (…) Der Verstand bestimmt, fixiert, beschränkt und macht dadurch klar und deutlich. Der Vernunft öffnet, bewegt, kennt kein Ausruhen in einem Gewußten. (…) Aber die Vernunft tut keinen Schritt ohne den Verstand. Sie gibt den Verstand nirgends preis.” (a.a.O, Piper, München 1962).

Die Vernunft kennt keine  Subjekt-Objekt-Spaltung. Dennoch begegnen wir dem Vernunftbegriff bei Karl Jaspers in einer ähnlichen Interpretation, wie  sie bei  Ortega mit der oben näher bezeichneten Differenz zu Jaspers anzutreffen ist.. Sie wirkt im praktischen Leben “im Bunde mit der Existenz, die ihr den Ernst verleiht”.  Vernunft schafft Zusammenhalt. Sie ist kein System (vs.Kant!). Sie ist in der lebensweltlichen Sphäre ” das, was allem voraus ist, das sich verabsolutieren möchte. Sie lässt kein Auseinanderfallen, kein Zerrissenbleiben, das endgültig wäre, zu.”  Die Imaginationsfähigkeit des menschlichen Gehirns aber erweist sich als eine nahezu unabdingbare Kraft auf dem Wege zur Erkenntnis, zur Kunst, zur Kultur. Kreativität nennen wir heute allgemein dieses Vermögen, von dem offenbar ein exorbitanter Anteil in Kants Urteilskraft (sensu Kant ein Naturtalent!) stecken muß.

Die PHANTASIE, ein gewissermaßen vergessener originärer SINN

Wie Johann Wolfgang von Goethe und José  Ortega y Gasset, die beide der Phantasie gern den Rang eines selbständigen Sinnes attribuieren, misst  Karl Jaspers dieser Eigenschaft von Kretivität einen besonderen Rang  auf dem Felde des Geistes zu:  “Das Subjekt des Geistes ist die Phantasie. Sie spielt in ihren Schöpfungen, sie schafft Bedeutungen. Sie macht greifbar in Symbolen. Der “Geist als Ganzheit” findet Ausdruck in der Kultur, in kulturellen Schöpfungen. Die Phantasie als  Subjekt des Geistes “kann in dem Zauber seiner Schöpfungen die Herrlichkeit von Seifenblasen sehen.” 

Die Vernunft im Sinne von Ortega ist wie bei Jaspers eine offene Bezugsgröße des Geistes, die im praktischen Leben behaust und mit diesem in allen seinen Vollzügen verwoben ist. Diese Perspektive öffnet der modernen Kognitionspsychologie einen Zugang zu Ortega deshalb, weil die Gleichzeitigkeit der emotionalen und kognitiven Vollzüge im Vorstellen und Handeln (Motivation) die Einheit des Menschen bedingen/ausdrücken, worauf es Ortega ankommt. Es wäre allerdings falsch anzunehmen, Kant hätte den Menschen in seiner Zweiweltentheorie anders aufgefasst. Trotzdem versucht Ortega vs. Kant, einen neuen Vernunftbegriff zu etablieren, der in der Interaktion mit dem Feld der Vitalität, mit dem Leben überhaupt wohl erst angemessen erfasst  werden könne.

 So heftig Ortega sich gegen die Versuche der Naturwissenschaften, so auch die der Biologie und Psychologie, den Menschen bzw. das Leben zu analysieren und auf den Begriff zu bringen sträubte, so vorteilhaft hat er unversehens mit einer begrifflichen Deduktion von Vernunft und Leben erreicht, daß seine Definition von Vernunft und Leben trotz mancher mehrdeutigen und unklaren Konnotationen den aktuellen Humanwissenschaften, in vorderster Linie der Genetik, Hirnforschung und allgemein, den Neurowissenschaften eine Möglichkeit bietet, ein in Ansätzen übereinstimmendes Interpretationskonstrukt für die Selbstauslegung des Menschen im Sinne der Aufgabe philosophischer Anthropologie auf den Weg zu bringen. Ortegas Nähe zu den Grundannahmen von Helmuth Plessner in den “Stufen” dürfte hierzu einen Leitfaden hergeben.

VITALE    VERNUNFT  und   HUMANES   LEBEN

Ortgegas Vernunftsicht erweist sich zunächst einmal als ein Abrücken von der Einengung des Vernunftbegriffs im Sinne von Descartes bis Kant, von einem gewissermaßen subjektivistischen Ghetto. Es geht ihm um sein Konstrukt: Das humane Leben. Leben näherhin als Drama gedacht, als ein Prozeß, der nicht etwa im Drama sich vollzieht, sondern eben dieses Drama selbst ist. Das eigentliche Humanum  besteht nicht in einer substantielle Natur ( Conditio humana bei Plessner), sondern  in der Geschichte.” Der Mensch hat keine Natur, er hat Geschichte” (GW IV). Ortegas Nähe zu Helmuth Plessners Stufen zeigt sich in einem analogen Modell zu Plessners Grenzrealisierung und spätestens hier rückt Ortega von der Perspektive der Geschichtlichkeit ab, indem er diese zu den Strukturgesetzen des Lebens (Plessner) in Relation setzt.  ”Ich bin ICH und meine LEBENSUMSTÄNDE” , dieser zentrale Satz Ortegas deutet die Plessnersche Natur-Kultur-Verschränkung als Inbegriff der Selbstauslegung des Menschen an. Die Vernunft ist im Prozeß des Dramas, im Aufbau, Verlauf und Ziel der “LEBENSUMSTÄNDE” immer präsent. Es ist im Sinne Ortegas eine “vitale Vernunft”. Er will damit deutlich machen, daß Vernunft und Leben nicht entgegengesetzte Bezugsgrößen bilden. Grundlegend falsch wäre es, hier Ortega einen irgendwie gearteten Vitalismus etwa im Sinne der Entelechie von Driesch et alii zu unterstellen.

LEBEN und VERNUNFT bilden eine FUNKTIONALE  EINHEIT

Vernunft als integrierende Kraft innerhalb des Lebens im Sinne Ortegas  ist eine Lebensfunktion. Sie durchdringt das Leben über alle Horizonte (Theorien)  und wissenschaftlichen  Grenzen etwa der Physik, der Biologie und Psychologie, der Naturwissenschaften überhaupt hinaus und wird damit auch für Ortega zu einer Metaphysik des humanen Lebens. Gleichzeitig aber eröffnet Ortega den konkreten modernen Neurowissenschaften des 21. Jahrhunderts, der Genetik und Hirnforschung in erster Linie, einen interpretativen Zugang.

Ortegas philosophisches Denken wird zur invisible hand der Philosophie für die aktuellen Humanwissenschaften, so scheint es, wenn man das Abrücken von Kants Vernunftbegriff aus Ortegas Grundannahmen  und Axiomen zu den Bezugsgrößen Leben, Humanum, ICH und LEBENSUMSTÄNDE beispielsweise klar und deutlich operationalisieren will. Wäre diese Möglichkeit nicht gegeben, müßte Ortegas Denken in dieser Dimension vielleicht als ebenso obsolet angesehen werden, wie es das Schicksal der Philosophie des Organischen bei Driesch mit der Bezugsgöße Vitalismus gewesen ist, der ein entelechiales Prinzip unterstellte (im Rekurs auf Aristoteles). Ein teleologische s Konstrukt dieser Art ist Ortega fremd. Sein Denken im philosophischen Vollzug unserer Zeit etwa im Sinne einer Neurophilosophie  hätte wenigstens in anthropologischer Absicht eine gute Chance über Ortegas Orientierungsgröße insoweit, über Plessner also, das Interpretationskonstrukt vom Menschen als grenzrealisierendes Wesen fortschrittlich und erfolgreich in den Blick zu nehmen. Am Ende darf nicht unbeachtet bleiben, daß Ortega mit Vernunft durchgängig von dem spricht, was Kant als das Vermögendes Verstandes sowohl in KrV als auch in KpV herausgearbeitet hat. Zum besseren Verständnis der relevanten Unterschiede Kant zu Ortega werden nachfolgend die wesentlichen Begriffe angegeben, die von Kant  von der Metaphysik der Sitten bis zu den Vernunftkritiken angewendet werden.

Stascha Rohmer hat im Vorwort zu seiner Übersetzung umfassender, bis heute in Deutschland weitgehend unbekannter Texte Ortegas (Vorlesungen zur Metaphysik, zu Ortegas Begriff der HISTORISCHEN VERNUNFT und zu WILHELM DILTHEY bzw. zur Idee des Lebens:) einen wohl unverzichtbar erscheinenden Aufriß über Ortegas philosophisches Denken dargeboten. Für den an Ortegas Philosophie tiefer interessierten Leser ist Rohmers exoribitant verdienstliche Abhandlung  im VORWORT zu “Der Mensch ist ein Fremder” eine ebenso weiterführende Pflichtlektüre wie die von dem Autor ins Deutsche übertragenen, vorstehend näher erwähnten Texte Ortegas mehr als bloß eine Abrundung von dem bringen, was bis heute auf dem deutschen Buchmarkt zu Ortega erschienen ist bzw. im Buchhandel noch bezogen werden kann. Auf dem Wege, dem beeindruckenden  Denken von José Ortega y Gasset in den mannigfaltigen Horizonten  der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung ebenso wie dem Spannungsfeld zwischen Vernunft und Leben, und beide in Einem verschränkt,  zu begegnen, führt zum guten Verstehen des Denkgebäudes Ortega kein Weg an Stascha Rohmers Buch: DER MENSCH IST EIN FREMDER  ( Karl Alber: München 2008) vorbei, selbst nicht für den, der bloß zu dilettieren die Absicht hat.

 

DER MENSCH AUS DEM ASPEKT DER  ZWEI-WELTEN-THEORIE  IMMANUEL KANTS

Wer überhaupt versteht, in welchem erkenntnistheoretischen Rahmen Immanuel Kant die Bezugsgrößen Verstand, Urteilskraft und Vernunft in einen systematischen Zusammenhang bringt,  wie Einheit und Differenz in einer dialektischen Ordnung bei Kant streng am Schema des Verstandes bzw. der Vernunft erfasst werden, der begreift auch Ortegas Absicht, die Vernunft gewissermaßen ihrer metaphysischen Verfassung zu entkleiden, um das Empirische, die “Vitalität” bzw. das Leben mit ihr ontologisch amalgamieren zu können. Und dennoch kam Ortega am Ende nicht ohne die Metaphysik aus! Wer Kants kritische Philosophie  gewissermaßen physiologisch aufgenommen und verdaut hat,  wie Ortega diesen intellektuell-metabolischen Prozeß für sich selbst reklamiert, der vermag leichter dem Weg zu folgen, den der spanische Philosoph in Absicht eines neuen Vernunftsbegriffs wählte, um den Menschen als Einheit aus dem Aspekt des Lebens (mit dem Motor Vitalität) in der Grundspannung von Abkunft und Zukunft unter der Leitgestalt von  Aufgabe  zu begreifen.

In seiner  Inauguraldissertation: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis weist Kant bereits den Weg, den er später in den Kritiken näher vorstellen wird. Wie unterscheidet Kant den Verstand, die Urteilskraft und die Vernunft?

Der Verstand, den der Mensch “ im System der Natur” dem Tier voraus hat, unterscheidet ihn nicht vom Tier,  d.h. er “ist ein Wesen von geringer Bedeutung und hat mit den übrigen Thieren, als Erzeugnissen des Bodens, einen gemeinen Wert.” urteilt Kant in MS,AA-VI, S.434. Kant macht hiermit auch  darauf aufmerksam, daß der Mensch, je nach Perspektive, bloß ein Tier ist.  Entsprechend seiner Zweiweltentheorie unterscheidet Kant folgerichtig den Menschen als “Thiermensch” und “Vernunftmensch”. Als PERSON  (Vernunftmensch) aber, also “als Subjekt einer moralisch-praktischen Vernunft” ist der Mensch exorbitant “erhaben”, weil er als Vernunftwesen einen absoluten inneren Wert, eine Würde besitzt und eben deshalb als “Zweck an sich selbst zu schätzen” ist.  Er dient aus dem Aspekt der Kantschen Menschenwürde demgemäß  weder anderen noch sich selbst als Mittel zu irgenwelchen Zwecken. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei angemerkt, daß dieser Begriff der Menschenwürde nicht jenen der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland fundiert. Allein nämlich in Reduktion auf Vernunft kann man sich viele Menschen vorstellen, die als vernunftlose Lebewesen folglich keine Menschenwürde besäßen, weil sie aus den relevanten Kriterien sensu Kant herausfallen.  Diesem nicht bloß argumentativen  Problem im übrigen sieht sich der bekannte australoamerikanische Philosoph und Kantianer Peter Singer ausgesetzt. Seine Position wird von uns nicht geteilt.

Die  Vernunft findet der Mensch in sich als Unterscheidungsvermögen vor, dadurch er sich von allen anderen Dingen, sogar von sich selbst als Sinnenwesen unterscheidet, so Kant. Die Differentia spezifica zwischen Verstand und Vernunft besteht darin, daß die Vernunft Sinnen- und Verstandeswelt voneinander unterscheidet und dem Verstand seine Schranken vorzeichnet. Verstand und Vernunft sind reine Spontaniität (Selbsttätigkeit). Objekte des Verstandes sind Vorstellungen. Sie kulminieren in der (ursprünglich) “ synthetischen Einheit der Apperzeption”: Ich denke.  In KrV, B 134 definiert Kant auf diese Weise den Begriff Verstand. Der Verstand kann nur solche Begriffe hervorbringen, die sinnliche Vorstellungen unter Regeln bringen, um sie im Bewußtsein im Vollzuge des Denkens zu vereinen (GMS, S.452). Die Vernunft besteht dagegen “unter dem Namen der Ideen” und übersteigt insoweit alles, was die Sinnlichkeit ihr liefern kann.

VERNUNFTSUBJEKTE auf dem FELD der SINNLICHKEIT

Es wäre nun falsch zu folgern, die Vernunft habe, anders als der Verstand, mit dem praktischen Leben nichts zu tun. Kant erwähnt deshalb den lebensweltlichen Auftrag der Vernunft, also einen Auftrag im Reiche der “Vitalität” sensu  Ortega. Er besteht darin, im Dienste des Sinnenwesens Mensch für dessen glückliches Leben (Kant: Glückseligkeit) zu sorgen: “Der Mensch ist ein bedürftiges Wesen, so fern er zur Sinnenwelt gehört und so fern hat seine Vernunft einen nicht abzulehnenden Auftrag von Seiten der Sinnlichkeit, sich um das Interesse derselben zu kümmern und sich praktische Maximen, auch in Absicht auf Glückseligkeit dieses und eines künftigen Lebens  zu machen.”

Ein ungewohnter “Jargon” im Reiche Kants, so könnte man meinen und, so scheint es, nahe bei Ortegas Vernunftvorstellung behaust. Kant beweist mit solchen prädikativen Aussagen zur Aufgabe der Vernunft, daß er immer und grundsätzlich die Einheit des Menschen (Homo noumenon/Homo phänomenon) im Blick hat. Die sinnliche Natur des Menschen ist seine Existenz unter  empirischen Gesetzen. Die Natur im physikalischen Sinne ist die Existenz der Dinge unter Gesetzen. Für den Naturwissenschaftler gibt es in der Natur keine Zwecke. Für ihn sind diese Gesetze unter dem Prinzip der Kausalität und nicht etwa der Zwecke im Visier. Für Kant gehören aber zur Natur des Menschen grundsätzlich auch Zwecke und er zeigt das an einem ganz praktischen Beispiel der menschlichen Sexualität (Geschlechtsliebe):” Der Zweck der Natur ist in der Beiwohnung der Geschlechter die Fortpflanzung, d.i. die Erhaltung der Art”. Und die Geschlechtsneigung, also die Lust an Sex ist “die Lust aus dem Genusse einer anderen Person, die zur höchsten Stufe des Begehrungsvermögens gehört, d.i. die Leidenschaft” (MS §7, Seite 24 AA). Begriffsklarheit und deutliche Inhaltsvorstellungen sind zum Verständnis aller Denkoperationen bei Kant unabdingabre Voraussetzungen. Hierzu einige mir notwendig erscheinende Anmerkungen.

KANTS  BEGRIFFE und DEFINITIONEN

Die Lust ist die Vorstellung der Übereinstimmung der Handlung (bzw. des Gegenstandes) mit den subjektiven Lebensbedingungen.

Der Zweck ist das, was dem Willen zum objektiven Grunde seiner Selbstbestimmung dient. Zwecke setzen also Selbstbestimmung voraus, weil niemand einen Zweck haben kann, ohne sich den Gegenstand seines Willens zum Zweck zu machen.

Der Wille ist eine Fähigkeit, den Vorstellungen entsprechende Gegenstände hervor zu bringen. Es ist die Fähigkeit, sich selbst zur Bewirkung seiner Objekte, nämlich der Vorstellungsmaterie, seine eigene Kausalität zu bestimmen. Der Wille wird durch Regeln, die seinen Bestimmungsgrund (die Maximen) bilden, Bedingung des Handelns. Es gibt insoweit subjektive oder/und objektive Maximen.

Das Leben ist die Fähigkeit eines Wesens, nach Gesetzen des Begehrungsvermögens bzw. seinen Vorstellungen gemäß zu handeln (MS). Das Begehrungsvermögen befähigt das Lebewesen, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. Menschen wie andere Tiere haben auf diese Weise Vorstellungen. Das untere Begehrungsvermögen repräsentiert Gefühle von Lust und Unlust, vom Angenehmen und Unangenehmen.

Ideen sind bei Platon die ewig unveränderlichen, Realität besitzenden Urbilder der Dinge. Sie sind das eigentlich Seiende. Kant kennt drei  transzendentale Ideen: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Allerdings zählt Kant die Idee der Freiheit zu den Tatsachen, zu den “Scibilia”, zu den Dingen, über die wir etwas wissen können. Aus diesem Aspekt ist die aktuelle Diskussion um Freiheit und Determiniertheit eine spannende Angelegenheit. Kant bringt Freiheit und Menschenwürde auf einen Nenner indem er angibt: Die Freiheit ist die Autonomie des Willens, nämlich die Willenseigenschaft, sich selbst ein Gesetz zu sein. Autonomie ist der Grund der Würde der menschlichen, jeder vernünftigen Natur.  Autonomie ist die formale Bedingung aller Willensmaximen. Kants Freiheitsbegriff ist ein reiner Vernunftbegriff und das Problem liegt offenbar darin, daß Kant Freiheit einerseits zu denTatsachen zählt, sie andererseits der Metaphysik zurechnet. Sie bedeutet die völlige Unabhängigkeit des Willens vom Naturgesetz der Erscheinungen (Naturkausalität), also von Determinierung.

Das Glück (Kant: Glückseligkeit, KpV,S.124) ist der Zustand eines vernünftigen Wesens in der Welt, dem es im Ganzen seiner Existenz alles nach Wunsch und Willen geht: Sie beruht auf der Übereinstimmung der Natur zu seinem (des Menschen) ganzen Zwecke, also zum wesentlichen Bestimmungsgrund des Willens.

Person als ein Glied in mundo sensibile wird in der rein psychologischen Sphäre als Teil der Sinnenwelt von Kant so definiert: “PERSON ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind”. Daraus folgt:” Was sich der numerischen Identität seiner selbst in verschiedenen Zeiten bewußt ist, ist insofern eine Person”.

Die Urteilskraft wird von Kant als eine Fähigkeit des Geistes zwischen Verstand und Vernunft verortet. Wir haben es uns angewöhnt anzunehmen, eine Person mit einem sehr hohen Intelligenzquotienten sei zugleich ein Mensch mit starken, hohen und kreativen Geisteskräften. Dieses Mißverständnis hat Kant sowohl in der KdU als auch in der Vernunftkritik (KrV, A 133 ff und B 172ff) beseitigt. Der hochgelehrte Wissenschaftler und Universitätsprofessor kann, je nach Urteilskraft, ein dummer Mensch sein. Was aber genau ist die Urteilskraft? In KrV urteilt Kant: “Wenn der Verstand überhaupt als das Vermögen der Regeln erklärt wird, so ist die Urteilskraft das Vermögen unter Regeln zu subsumieren, d.i. zu unterscheiden, ob etwas unter einer gegebenen Regel stehe, oder nicht.” Ob es uns gefällt oder nicht, hierhin gehört der Begriff der DISKRIMINIERUNG (d.h. beurteilen). In manchen Fällen des Zusammenlebens innerhalb der societas humana ist Diskriminierung eine überlebensnotwendige Bewertung von Gegenständen oder Personen durch den Verstand mittels Hilfe der Urteilskraft. In Deutschland kennt man neuerdings ein Diskriminierungsverbot. So z.B. im Mietrecht. Bestimmte Geistesrichtungen mit verkappter Ideologie neigen dazu, Diskriminierung generell zu tabuisieren, negativ zu konnotieren. Das mag in einer Wohlstandsgesellschaft gelingen. In der gesellschaftlichen  Auseinandersetzung von Gruppeninteressen wäre diese Haltung selbstmörderisch.

Die Urteilskraft wird von Kant als ein besonderes Talent, als eine Gnade der Natur erkannt: “Daher ist diese auch das Spezifische des sogenannten Mutterwitzes, dessen Mangel keine Schule ersetzen kann. ” Kant führt zahlreiche praktische Beispiele an wie solche im Bereich des Arztberufes, des Richters, eines Politologen oder eines Universitätsprofessors. Schließlich nennet Kant das Kind bei seinem Namen (KrV B 173): “Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist garnicht abzuhelfen. Ein stumpfer oder eingeschränkter Kopf (…) ist durch Erlernung sehr wohl, sogar bis zur Gelehrsamkeit, auszurüsten.” Obwohl es zur Zeit Kants weder internationale Kongresse mit einer Vielzahl renommierter Wissenschaftler gab noch überregionale Medien, die heute bekanntlich unfehlbar scheinende Erperten mit ihrer oft apodiktisch vorgetragenen Auffassung verbreiten, deren Publikationsstil es leider  oft genug ist, mit  wohlgefeilter Diktion von Trivialitäten und auf hohem Sprachniveau formulierten Absurditäten zu versuchen, den Eindruck von Tiefsinn zu  erwecken, muß der Philosoph aus Königsberg Repräsentanten dieses geistigen Elitegenres begegnet sein, die das Naturtalent Urteilskraft nicht besitzen: “Da es aber gemeiniglich alsdann auch an jenem ( der secunda Petri) zu fehlen pflegt, so ist es nichts ungewöhnliches, sehr gelehrte Männer anzutreffen, die, im Gebrauche ihrer Wissenschaft, jenen nie zu bessernden Mangel häufig blicken lassen.” Es hat sich also im akademischen Olymp der Wissenschaften offenbar nichts geändert. Die aktuellen Neurowissenschaften, näher hin die Hirnforschung, könnte vielleicht einmal zeigen, was es mit diesem Naturtalent auf sich hat, da es sich offenbar um Determiniertheit handelt, wenn man Kant richtig begreift.

José Ortega y Gasset ist mit vielen Kriterien  seiner Vernunftdefinition von Kants Definition der Vernunft, des Lebens, des Glücks usw. abgerückt und dennoch blieb er , modern gesprochen: dicht am Ball.  Eigentlich hat Ortega keine klare und deutliche Definition, sondern nur eine logisch erscheinende Kette von Definitionen zum dem vorgelegt, was nach seiner Auffassung Vernunft ist. Anders als Kant hat er darauf verzichtet, die Vernunft als reine Metaphysik, etwa als ein Reich der Zwecke, in Kants Sinne zu bgreifen. Freiheit und Autonomie ließ er ziemlich unbeachtet, so daß Ortegas vielleicht absichtsvoll nicht eindeutig operationalisierter Vernunftbegriff  innerhalb der relevanten aktuellen Diskussion eine Brücke zwischen dem unüberbrückbar erscheinenden Gegensatz von Philosophie und Neurowissenschaften  auf dem Fundament der Plessnerschen Anthropologie geschlagen werden könnte: Quod sit demonstrandum.

VERNUNFTEVOLUTION   IN DER MORGENRÖTE    DER KULTUR 

In der wesentlichen Anwendung des Wortes Vernunft fokussiert Ortega  dessen zentrale Bedeutung auf die Merkmale, die in Kants Sinne dem Verstande zukommen. Anders als bei Kant ist sensu Ortega auch im Falle des Homo s.sapiens  demgemäß Vernunft ein Vermögen, das Mensch und Tier offenbar gemeinsam gegeben ist. Der Unterschied wird von Ortega nicht essentiell, sondern graduell angenommen. Damit ist die Vernunft auch als ein mit ihrer Basis, dem Gehirn interagierendes, quasi dialektisches Funktiossystem in der Sicht. Gleichzeitig unterliegt sie auf diese Weise den evolutiven Bedingungen.

Wenn die Vernunft mit  Verstandsfunktion von Ortega in Eins gerührt wird, dann ist diese Vernunft, materialiter spectata, eine naturale Kategorie, die vielleicht nicht, wie es anders bei Kants Autonomie der Fall ist, der Determiniertheit entgehen kann.  Ortegas Publikationen im Durchlauf der Zeitachse gelesen lassen so auch eine Wandlung, einen  Fortschritt der Grundlagen seiner Erkenntnishorizonte  feststellen. Man könnte beinahe wie bei Kant von einer vorkritischen und einer kritischen Phase sprechen. Spätestens in der Begegnung mit Helmuth Plessners Anthropologie wird Ortegas Anmerkung, der Mensch habe keine Natur, er habe Geschichte, in einem anderen Lichte erscheinen. Ortega hat Plessners  Stufen des Ortganischen und der Mensch ( Ausgabe 1928, herausgegeben bei Walter de Gruyter & Co., Berlin und Leipzig) offenbar mit besonderer Aufmerksamkeit bearbeitet und erforscht. Die von ihm im Text angebrachten Hervorhebungen bzw. Unterstreichungen in seinem Plessnerexemplar (anzutreffen in der  Biblioteca Fundacion José Orega y Gasset, Madrid, Signatura 130.4 + Registro 7.320) lassen einen relevanten Einfluss auf sein Denken wahrnehmen. Spätestens in der 1942 in Portugal verfassten Abhandlung: PRÓLOGO  A  UN TRATADO  DE MONTERIA begreift Ortega die Vernunft als eine der Evolution unterworfene Entität des menschlichen Lebens überhaupt. Hierauf wird in der Folge Rekurs genommen.

 

DIE PHANTASIE  als   URSPRUNGSFORM der VERNUNFT des   RAUBTIERS   MENSCH

Das Sein des Menschen bestand in der Morgenröte der Menschheit nach Ortegas Sichtweise darin, daß er Raubtier und Jäger war. Er wendet sich gegen die falsche Annahme, der Mensch sei von Anfang an ein rationales Wesen. Ihm habe die “Macht, die wir Vernunft nennen”  nicht mit ausreichender Vollständigkeit zur Verfügung gestanden, so die Auffassung Ortegas. Wir müssen uns nach seiner Ansicht klar machen, daß die Vernunft “nur mit dem Tropfenzähler zu messen ist”. Die ursprüngliche Existenz des Menschen, sein ganzes Sein habe darin bestanden, daß er Jäger war. Diese Übergangsform haben wir sensu Ortega aus der Hominiden-Phylogenese von unseren Vorfahren, von Raubtieren geerbt. Hier deutet sich bei Ortega bereits das evolutive, näher hin: das kulturevolutive Bewußtsein an. Noch deutlicher wird Ortegas Evolutionsbewußtsein (von Darwinismus zu sprechen versagt er sich!) in der Annahme, die Natur habe zwischen dem Tierwesen Mensch und der modernen Sapiensform einen Sprung gemacht und überhaupt: “Denn diese Natur, von der man so oft gesagt hat: non facit saltus, hat fast nie etwas anderes als Sprünge gemacht.” Ortega weist auf das neue Wissen im Sinne von Mutation hin (gemeint ist die synthetische Theorie der Evolution bzw. der Neodarwinismus), die  alle vorauslaufenden Überzeugungen  von stetiger Evolution hinter sich lässt.

Hohe Bedeutung misst Ortega der Phantasie als eine den assoziativen Kortex steuernde Fähigkeit bei. Sie sei eine Vorläuferin der Vernunft. Zunächst wirkte eine anwachsende Vernunft, die, wie wir heute wissen, mit evolutiven Prozessen der neocorticalen Sphäre einher geht, ” wie ein orthopädischer Apparat an einem gebrochenen Instinkt”. Die primitive, ursprünglichge Art Mensch zu sein ist die eines Tieres mit gelegentlichen Lichtblicken. Diese Urintelligenz an den Wurzeln der Vernunft ließ den frühen Jäger als Ausdruck einer ersten messbaren Vernunftleistung zum Fallenbauen gelangen: “Der Mensch ist von Anfang an ein recht hinterhältiges Wesen”. Weitere Sprünge in der Vernunftevolution gestatteten es dem Menschen, den Horizont des Tieres zu übersteigen und in etwa das in Ansätzen zu gewinnen, was Immanuel Kant mit Urteilskraft bezeichnet: ” Die Urteilskraft ist das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken” (KdU).  Ortega attribuiert aber, anders als Kant, solche evolutiv anwachsenden Kräfte kurzerhand der Vernunft, nämlich dem von ihm konzeptualisierten Schmelztigel aller  Geisteskräfte. In dieser Entwicklungsphase fortgeschrittener Vernunftevolution geschieht etwas ganz besonderes:  Das tierische Jagdschema evoluiert  zu einem Denkschema! Die Strategien des Geistes  übernahmen die Strategien der Instinkte . Eine bis dahin überwiegend organisch-materiale Beute des Bedürfniswesens Tier  wird universell erweitert auf die Beute eines auch geistig verfassten Bedürfniswesens. Mit ihr werden mannigfaltige Bezugsebenen jenseits der Instinktebenen erfasst. Hier offenbart sich auch wie von selbst die Affinität von Ortages Denken und seine Sympathie zu Nikolaus von Cues. Als wohl erster in der neuzeitlichen Geistesgeschichte der Philosophie hat der Kusaner (in: De venatione sapientiae) das Bedürfniswesen Tier mit dem verglichen, das wir mit dem Gattungsnamen Mensch zu bezeichnen pflegen. Er verbindet Natur und Geist in  der Gestalt  des je spezifischen Bedürfniswesens zur Einheit im Menschen.  Dieser erjagt auf der höchsten Ebene seiner Bedürfnisse die WAHRHEIT  bzw. GOTT als Beute (de praeda capta, am Ende der venationes) und bemächtigt sich ihrer (vgl. Vorstellung von Jagd bei Platon im SOPHISTES).

 

DIE VERNUNFT KOMMT AUF DEN HUND

Einerseits sah sich der Mensch der Unzulänglichkeit seiner Instinkte ausgesetzt, andererseits reichte seine Vernunft nicht aus, diese in der Natur angemessen zu überbrücken.  Offenbar haben die von Ortega ausgemachten gelegentlichen Lichtblicke aber genügt zu erkennen, daß der dem Menschen folgende Hund  (vgl. Hund von Oberkassel am Rhein, ca. 10.000 a.p.) mit seinem Jagdinstinkt nutzbar gemacht werden könne. In dieser Erkenntnis und ihrer praktischen Umsetzung sieht Ortega die wohl erste wirklich messbare Vernunftleistung des Menschen in der Seinsform des Jägers überhaupt, der den Hund zähmte und seinen Jagdzwecken unterordnete: Die Geburtsstunde des Jagdhundes.

Die erwachsene Vernunft wendet sich von der Jagd ab und anderen Geschäften zu. Das tierische Jagdschema wird zum (philosophischen) Denkschema. Spannend ist dieser Übergang insoweit, als wir heute trotz der spektakulären Forschungsergebnisse in den Neurowisenschaften, der Hirn- und Hormonforschung, der Genetik, der Humanwissenschaften allgemein noch immer nicht wissen können, ob und auf welche Weise das tierische Jagdschema des frühen Menschen im evoluierten Denkschema zu verorten ist. Allein die Behauptung und empirische Feststellung, das menschliche Denken bzw. Verhalten sei über den emotionalen Cortex und andere ältere Hirnarreale determiniert, leistet keinen befriedigenden Beitrag zur Selbstauslegung des modernen Menschen einer Informationsgesellschaft. Daß das Faktum Determiniertheit ausserdem noch heftig umstritten ist, das zeigt eine gewisse Furcht vor der Erkenntnis, Kultur und Geist liege bloß wie Firnis über unserer Tierheit. 

Dem Jäger, dem wachen  Menschen  im absoluten Draußen des Feldes  stellt Ortega den Philosophen, den wachen Menschen im absoluten Innen der Ideen gegenüber. Zwar quasi metaphorisch und dennoch exakt den Punkt des Problems treffend identifiziert Ortega den Menschen als Jäger (mit Kant gesprochen: Der Mensch als Sinnenwesen) mit dem Menschen als Philosophen (mit Kant: in mundo intelligibilis) und beide als den wachen Menschen. Ortega deutet mit diesem Vergleich eine exorbitant attraktive Forschungsebene für die Neurowissenschaften in Absicht der Selbstauslegung des Menschen an: Der im Reich der Natur, der Sinnlichkeit am höchsten sensibilisierte Mensch könnte sich mit dem Jäger als Prototypus des Probanden in der Stichprobe finden und dem Menschen im Reich des Geistes, dem Philosophen, dem Wissenschaftler allgemein als Repräsentant der Forschungshypothese gegenüber stehen. Methodisch zur Anregung soll der Hinweis auf  Nikolaus von Cues mit seinem letzten großen Werk dienen: De venatione sapientiae. Vielleicht gestattet es uns die Evolution, einen Mutanten zu erleben, der in der Umarmung von Wolf und Schaf die Naturwissenschaft und Philosophie in affiliativer Absicht vereint sieht.