Es scheint, als beherrsche die Idee des Neoliberalismus das äusserst linke Spektrum der Gesellschaft wie ebenso die extrem rechte Position  gleichsam als  ein bedrohliches Gespenst , das dem Kampf der Zwerge gegen die Giganten gleich in jüngerer Zeit um die Wende zum 21. Jahrhundert ein gemeinsames Feindbild erzeugt hatte.  Offenbar erweist sich diese Entwicklung als ein folgenschweres Mißverständnis der Geschichte des oft in  Rede stehenden Deutschen Wirtschaftswunders.

Der “Neoliberalismus” ist schon seit längerem zum beliebten Feindbild von Linken und Rechten geworden. Selten wird ernsthaft diskutiert, was den Neoliberalismus eigentlich ausmacht. Kern des Missverständnisses ist die Ansicht, daß Neoliberale eine radikale Version der Liberalen seien und eine völlig deregulierte, regellose kapitalistische Wirtschaft befürworten. Faktisch ist aber das Gegenteil der Fall! Wer überhaupt den Begriff ideengeschichtlich versteht, der begreift auch das Junktim mit einer Sozialkohärenz unter der Ägide eines Staates, der für freie Marktwirtschaft die Horizonte öffnet und die Bedingungen der Möglichkeit einer Umsetzung strukturell vorgibt,indem sich am langen Zügel der Staates eine liberale Deregulation als ideales Markt-Freiheitskonzept mit Wohlstand in Freiheit und zugleich sozialer Verantwortung entfaltet.

Friedrich August von Hayek, enger Vertrauter  und Freund des spanischen Liberalen, des berühmten Lebensphilosophen José Ortega y Gasset ( Europavortrag München 1953) und seine Kollegen erarbeiteten nach dem Zweiten Weltkrieg  ein ökonomisches und politisches Programm, eine Art Konterrevolution  zur Planwirtschaft und zu dem keynesianischen Wohlfahrstaat. Ein erster Durchbruch gelang dieser Gruppe in der BRD, wo es Ludwig Erhard gelang, Teile des Programms der Freiburger Schule durchzusetzen. Als der damals, der  in den siebziger Jahren vorherrschende  Keynesianismus aufgrund schwacher Wirtschaftsentwicklung bei hoher Inflationsrate stagnierte und in die Defensive geriet, besannen sich die  westdeutschen Republikaner mehr und mehr auf den frühen Neoliberalismus. Das Lebensgefühl der westdeutschen Gesellschaft wie ebenso das anderer europäischer Gesellschaften  erfreute sich einer Blüte aufgrund Rückkehr zu mehr Marktwirtschaft. Auf der Woge der Gunst des Volkes  gelang den Liberalen der Sprung auf die große Bühne: Hayek und  Friedmann wurden mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Sie erlangten erheblichen Einfluß auf gesamateuropäische Politik, wurden beispielsweise Politikberater in England, politische Vordenker von Margaret Thatcher oder in USA von  Ronald Reagan. Die nun verstärkt einsetzende Favorisierung der Marktwirtschaft schuf in ganz Ezropa einen  nie dagewesenen Wohnstand der Nationen. Ideell und sozial verband sich der Liberalismus mit dem Prinzip der sozialen Verantwortung vor allem über den Weg  der katholischen Soziallehre, die in BRD vor allem durch den in München lehrenden Sozialphilosophen , den Jesuitenpater Oswald von Nell Breuning repräsentiert wurde. Die dem linken politischen Spektrum zugerechten Politik und Gesellschaftskreise suchten  Rat bei dem Jesuiten; allen voran und immer wieder: Der SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Vom Vorbild zum Feindbild

Unversändlich also, wie der Neoliberalismus  für Linke wie extrem Rechte zum Feindbild wurde?Es erscheint mir zur Klärung notwendig, den historischen Zusammenhang des Liberalismus  im Gefüge der europäischen  Politik ex ovo bis zu Christian Linder aufzuzeigen und zu verstehen.
Das System der Marktwirtschaft wurde spätestens nach der Weltwirtschaftskrise 1929  im ökonomischen Denken der Bürger diskreditiert. Sie galt mehr und mehr als krisenanfällig, ja als chaotisch.  Zunehmend tendierten die Regierungen zur Planwirtschaft, zu staatlicher Lenkung der Wirtschaft , zum Protektionismus. In der Sowjetunion Herschte Stalin, in Deutschland Hitler. Kriesahnung lag im Spätsommer 1938 in der Luft. Walter Lippmann geißelte in seinem Buch nicht bloß Faschismus,  Nationalsozialismus und Kommunismus als totalitäre  und kollektivistische Regime, sondern er erblickte auch im amerikanische NEW DEAL  seines ehemaligen Freundes Roosevelt einen schleichenden Kollektivismus mit Eingriff  in die Wirtschaft.
START  zum NEOLIBERALISMUS
Als Geburtsstunde des Neoliberalismus gilt eine Konferenz von 26 Intellektuellen, die von dem Philosophen Louis Rougier  Ende August 1938 zu Ehren des amerikanischen Journalisten Lippmann  nach Paris einberufen wurde. Anlass dazu war Lippmanns Buch: The Good Society.
Die kleine Versammlung liberaler Intellektueller mit dem Philosophen Raymond Aron, mit den Ökonomen  Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek sowie Teilnehmer aus Frankreich, England und der Schweiz litt unter dem kollektiven Gefühl von Angst und einer bedrückenden Stimmung. In dieser Zeit war der Liberalismus  vollends in die Defensive gedrängt worden.
Die in Paris diskutierenden intellektuellen Akteure wollten den Liberalismus verteidigen. Sie erkannten dabei eine notwendig tiefgreifende Revision der eigenen Denkrichtung.Selbstkritisch stellten sie deshalb alle zentralen Kernelement des Liberalismus auf den Prüfstand und erarbeiteten zielführende Veränderungen des bestehenden Modells  des historischen Liberalismus, der verächtlich nun mit “Manchester-Liberalismus” mit seiner Tendenz zum “Laissez faire” in Rede war und  der Versammlung als
Sündenbock diente. Das Resumee nach  fünftägiger Diskussion : Dieser alte Liberalismus trägt eine gehörige Mitschukd an aktueller Fehlentwicklung der Weltwirtschaft. Er habe nämlich das Entstehen von Kartellen und Monopolen und eine hohe Konzentration der Wirtschaft ermöglicht. Dies habe die marktwirtschaftliche Struktur pervertiert.
Das neue Credo der Liberalen in Paris: Ein starker Staat als Regelsetzer und Schiedsrichter, der darüber wache, daß niemand den Wettbewerb
abschafft.
Auf die Idee dieses Neoliberalen  Programms ( auch ordoliberal bezeichnet) wurde bereits zuvor von der Freiburger Schule mit Walter Eucken bzw. von Alexander Rüstow (1932) aufmerksam gemacht.Die  Neoliberalen der Ersten Stunde diskutierten auch die Frage, ob eine und ggf. welche staatliche Sozialpolitik wünschenwert sei. Man war sich darin einig, eine Entfremdung der Arbeiter in der Massengesellschaft durch bessere Integration (z.B. Betriebsräte usw.)  zu verhindern. Allerdings dürfe das Gespenst eines sozialen Überwachungs – und Wohlfahrtstaates, der die freie Marktwirtschaft überwuchere nicht aus der Dose der Pandora entlassen werden. Eine Entwicklung in iese Richtung wurde abgelehnt.
NEOLIBERALISMUS im DÄMMERSCHLAF
Bedingt durch  den Kriegsausbruch 1939 fand die Konferenz keine Fortsetzung.Die Neoliberalen wurden in Wissenschaft und Gesellschaft zunächst  wenig ersnt genommen, ja,
sie wurden verspottet. Der aus Breslau stammende und zur Universität Bonn mit Lehrauftrag Volkswirtschaft berufene  Ökonom Joseph Schumpeter befürchtete sogar bei Umsetzung eines Neoliberalismus in der Wirtschaft einen unvermeidlichen Marsch in den Sozialismus. Solches Untergangsszenario weckte einige Neoliberale aus dem Dämmerschlaf, in den sie notwnedig gefallen waren. August von Hayek griff 1947 den Roten Faden, der  1938 in Paris gesponnen wurde wieder auf und gründete in der Schweiz die  MONT PELERIN SOCIETY  (MPS) als neues Sammlungsbecken der Neoliberalen. Unter diesen befand sich auch der junge Milton Friedmann aus Chicago. Ihr Einfluß war einstweilen marginal bis Luwig Erhard in Deutschland  Teile des Freiburger Programms in der Wirtschaftspolitik der BRD umsetzte. Von nun an ging`s bergauf…In den siebziger Jahren brach der vorherrschende  Keynesianismus unter dem Menetekel drohender Inflation und einer Wirtschaftsstagnation  zusammen und  geriet in die Defensive.
Das war die Sternstunde des Neoliberalismus, der fortan die Bühne beherrschte. Konservative Muster wurden  mit integriert und schufen früher gewohntes Vertrauen in die  Selbstregulierung des Marktes. Neue Wirtschaftspolitik drängte zum Abbau staatlicher Regulierung . In Deutschland feierte eine bis dahin unbekannte Wirtschaftsblüte die  Möglichkeit einer  Verteilung der Güter von oben nach unten und  setzte den Adenauer-Slogan: Eigentum in Arbeitnehmerhand  als wirksames Mittel gegen  das sozialistische Neid-Ressentiment in der Arbeitnehmerschaft sehr erfolgreich ein. In England entfesselte das Regime mit M. Thatcher mit dem “Big Bang” die Finanzwirtschaft. Doch auch über der Blüte dieser Generation mit nie in der Geschichte dagewesenem Reichtum, an dem alle zu partizipieren nach dem Chancengleichheitsgebot der Möglichkeit hatten, schwebte das Damoglesschwert von Gefahr und Scheitern, vom Gesetz des Wandels, nach dem alles seine Zeit hat.
NEOLIBERALE DEREGULIERUNGSPOLITIL und die FINANZKRISE
Waren die Ursachen der Krisen an der Schwelle des 21. Jahrhunderts, so ist zu fragen,  nicht auch die Folge einer falschen staatlichen Politik? Etwa die expansive Geldpolitik, die erst die Immobilienblase in USA aufgepumpt hatte? Verwässerung der privaten Haftung mußte frühzeitig bedenklich stimmen. Jedenfalls verließ dieses Schema die geordeneten selbstregulatorischen Gleise der neoliberalen Marktwirtschaft  und driftete in  eine von dieser nicht mehr mitzutragende und  faktisch auch nicht mitgetragene Verantworung.
Sie bestand auch in diesem wesentlichen Merkmal des ordnungspolitischen Programms der frühen Liberalen, in der Privathaftung.
Neuerdings versucht Kurt Lindner  den Spagat, Neoliberale  Grundpositionen mit einer auf ökologische – und Klimapolitik gerichteten Synthese den Begriff der Nachhaltigkeit  von der Erde  gewisssermaßen in den Weltall zu extrapolieren. Gelingen kann ein Experiment dieser Art freilich nur dann, wenn man mit den Beinen auf der Erde bleibt. Nicht nur der Wind, auch der Markt weht wo er will…